Graue Sandbiene und Rothaarige Wespenbiene

 

Wer im Frühjahr den Bahnhofsplatz in Korntal überquert, blickt auf einen hoch aufragenden Birnbaum in voller Blüte. Seit mehr als fünfzig Jahren steht dieser wunderschöne Baum schon hier. Ein kleines Wunder verbirgt sich auch an seinem Fuß und unter seinen weit herausragenden Ästen: in der Erde zwischen Löwenzahn und Gänseblümchen sind Löcher mit rings herum aufgeworfener Erde zu entdecken; die unterirdischen Gänge sind das Werk kleiner schwarz- weißer Bienen. Graue Sandbienen (Andrena cineraria), die dafür sorgen, dass unsere früh blühenden Obstbäume bestäubt werden. Sie leben gesellig in Kolonien von bis zu mehreren Hundert Individuen, aber jede Biene hat ihren eigenen Gang und sorgt für ihren Nachwuchs. Die Männchen schlüpfen früher und summen dann in großer Zahl herum. Keine Sorge, sie sind nicht gefährlich, denn sie haben keinen Stachel. Nach der Paarung sterben sie. Dann beginnt die weibliche Sandbiene mit dem Brutgeschäft. Sie legt ihre Eier in die Bruthöhlen und versorgt sie mit einem Vorrat an goldgelben Pollen.

Nach getaner Arbeit ist auch ihr Leben zu Ende. Die neue Generation schlüpft noch im selben Jahr, bleibt aber unter der Erde bis das nächste Frühjahr sie mit neuen Blüten ins Freie lockt. Tagsüber bleibt der Eingang zur Bruthöhle offen, nur bei Regen und nachts wird er verschlossen. Da fällt es der kleinen ‚Wespe’, die gar keine Wespe ist und mit ihren leuchtend roten Beinen zwischen den Sandbienen herumschwirrt, nicht schwer, ihre eigene Brut in deren Gänge zu schmuggeln. Auch das sind Bienen: ‚Wespenbienen’ wegen ihrer äußerlichen Ähnlichkeit mit Wespen, ‚Kuckucksbienen’, weil sie ihre Brut, wie der Kuckuck im Vogelreich in das Nest einer Sandbiene legen, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet.  Die Larve der Wespenbiene (Nomada lathburiana) verspeist das Ei des Wirts und anschließend den Futtervorrat; falls schon eine Larve geschlüpft ist, tötet sie diese. Welche Dramen spielen sich hier ab, während wir vorbeieilen! Es lohnt sich genau hinzuschauen. Auf den ersten Blick unscheinbare Orte halten oft verblüffende Entdeckungen bereit. Bedroht sind die Wildbienen aber nicht wegen ihrer Schmarotzer, sondern wegen der Zerstörung ihres Lebensraumes und weil ihre Futterquellen rar geworden sind. Ein naturnaher Garten, eine verwilderte Wiese, ein Stück Erde, das einfach in Ruhe gelassen wird, blühende Wildsträucher, Löwenzahn, Taubnesseln und andere Wildkräuter, mehr Unordnung im Sinne der Natur,  können hier viel zum Überleben der selten gewordenen und besonders geschützten Wildbienen beitragen.

Alle Fotos: A. Epperlein